Wenn man den großen Tageszeitungen und Online-Medien trauen darf, dann ist heute ein Tag zum Feiern: ”Ein guter Tag für Sparer” titelt beispielsweise das Online-Portal Web.de.
Der kollektive Jubel ist ausgebrochen, nachdem die Europäische Zentralbank die Leitzinsen erneut erhöht hat. Nur einen Tag, nachdem auch die US-Notenbank das Zinsniveau erneut angehoben hat, sind die europäischen Währungshüter diesem Beispiel gefolgt. Inzwischen liegen die Leitzinsen hierzulande bei 4,25 %, und die EZB hat bereits zum neunten Mal in Folge den Leitzins erhöht.
Während die Europäische Zentralbank für ihre vermeintliche Entschlossenheit gefeiert wird, macht ein näherer Blick deutlich, dass es in keinster Weise einen Grund zum Feiern gibt. Denn von den Zinserhöhungen kommt so gut wie nichts bei der Bevölkerung an – oder besser gesagt: die positiven Effekte kommen nicht an. Aus einer Untersuchung des Online-Vergleichsportals Verivox geht hervor, dass insgesamt 141 von 738 Banken in Deutschland ihren Kunden gar keine Zinsen gewähren. Das allgemeine Zinsniveau in Deutschland liegt der Berechnung zufolge lediglich bei durchschnittlich 1,3 %.
Wer also weiterhin keine Zinsen auf seine Ersparnisse bekommt oder mit mickrigen 1,3 % abgespeist wird, wird künftig durch die höheren Leihzinsen noch stärker belastet. Denn solange diese unterhalb der Inflation liegen, verlieren Sparer de facto einen Teil ihres Vermögens. Und damit nicht genug: Wer jetzt etwas Geld investieren möchte, beispielsweise in eine Immobilie, zahlt überproportional stark drauf. Die Deutsche Bundesbank hat gerade erst errechnet, dass die Bauzinsen in Deutschland weit über dem eigentlich angemessenen Niveau angehoben worden sind.
Die schleichende Enteignung der Sparer in Deutschland geht somit in eine neue Runde. Nachdem sie jahrelang sogar Strafzinsen auf ihr Erspartes zahlen mussten, während die Inflation immer weiter zugenommen hat, sehen sich Sparer inzwischen mit einem historisch einmaligen Anlagenotstand konfrontiert: Sachwerte wie Aktien oder Immobilien befinden sich auf Allzeithoch und sind für viele Menschen in Deutschland schlicht unbezahlbar geworden. Andere Anlageklassen wie Bitcoin wirken auf die breite Bevölkerung auch weiterhin nicht vertrauenswürdig.
Es gibt jedoch eine Anlageklasse, die seit über 5000 Jahren kontinuierlich hohes Vertrauen genießt und in den vergangenen Jahren ihrem Ruf als Krisen- und Inflationsschutz gerecht geworden ist: Gold hat in den letzten Jahren stark zugelegt und die jüngste Schwächephase, die lediglich ein paar Wochen andauert, mit Bravour überstanden. Inzwischen marschiert der Goldpreis wieder in Richtung der Marke von 2000 US-Dollar, und es gibt nicht wenige Marktbeobachter, die noch für dieses Jahr ein neues Allzeithoch erwarten.
Dass ausgerechnet Gold nun auf die jüngste Leitzins-Erhöhung der EZB negativ reagiert, ist ein altbekannter Witz: Die Märkte glauben, dass durch die steigenden Leitzinsen auch das tatsächliche Zinsniveau steigt und dass Gold gegenüber festverzinslichen Anlageklassen wie Tagesgeld weniger attraktiv wird.
Dass das krasse Gegenteil der Fall ist, wissen wir nicht erst seit der Untersuchung des Onlineportals Verivox. Tatsächlich geben die meisten Banken die Zinsvorteile nicht an die Sparer weiter – und Gold hat in den vergangenen Monaten und Jahren zuverlässig Renditen erwirtschaftet, die weit über dem nominellen Zinsniveau liegen. Die alte Weisheit „Gold wirft keine Zinsen ab“ ist nicht totzukriegen – doch wer sie nach all den Jahren auch heute noch wiederholt, dem ist nicht mehr zu helfen.